Zwischen Blende und Gefühl – ein Gespräch über das Sehen
Ein Interview mit Alfred, Fotograf hinter Big Al Fine Art
Einleitung
Wenn dir niemand die richtigen Fragen stellt, stell sie dir eben selbst. So ist dieses kleine Selbstgespräch entstanden – über das, was mich antreibt, wenn ich fotografiere. Tiefenschärfe ist mehr als ein technischer Begriff. Es ist ein Prinzip. Ein Gefühl. Eine Haltung. Hier versuche ich, es greifbar zu machen.
Wenn du ein Bild beschreiben müsstest, das dich nie loslässt – wie sähe es aus?
Es wäre ein Blick, der mich fängt – nicht laut, nicht schrill, aber unausweichlich.
Eine Pose, die nicht schreit, sondern einlädt: bleib. Sieh genau hin.
Vielleicht ist es auch das Bild, das mich nicht loslässt, weil ich darin etwas suche, das nicht zu sehen ist.
Etwas, das da sein müsste – im Schatten, im Zwischenraum, im Schweigen zwischen zwei Augenblicken.
Ich glaube, das sind die stärksten Bilder: Die, die nicht alles zeigen. Die, die fragen, ohne eine Antwort zu geben.
Wie entscheidest du, worauf du den Fokus legst – technisch und emotional?
Eindeutig emotional.
Ein Bild kann technisch perfekt sein – ausgewogen, gestochen scharf, lehrbuchreif.
Aber wenn die Emotion fehlt, hängt es nicht an meiner Wand. Punkt.
Nenn mich ruhig einen Emotionsjäger. Ich bin nicht hinter Perfektion her – ich will das Flackern.
Den einen Moment, in dem etwas durchbricht: ein Blick, ein Hauch von Verletzlichkeit, ein unbewachter Atemzug.
Technik ist Werkzeug. Gefühl ist der Grund, warum ich auslöse.
Was bedeutet „Tiefenschärfe“ für dich über die Fotografie hinaus?
Tiefenschärfe wäre in vielen Bereichen des Lebens gut.
Im Job, wenn man den Blick nicht verliert für das, was wirklich zählt – jenseits vom Stress.
In Beziehungen, wenn man die kleinen Dinge sieht, die dem anderen wichtig sind –
und sie erfüllt, ohne dass jemand darum bitten muss.
Und im Alltag, wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht
und das Schöne wahrnimmt, das sich nicht aufdrängt.
Es gibt da doch diesen Spruch: "You gotta stop and smell the flowers on the side of the road."
Genau das. Tiefenschärfe ist, wenn du hinschaust, wo andere einfach vorbeilaufen.
Gibt es ästhetische Prinzipien, denen du immer wieder folgst – oder brichst du sie bewusst?
Natürlich orientiere ich mich an Regeln – Drittelregel, Goldener Schnitt, all das.
Aber in der Fotografie gilt: Regeln sind dafür da, gebrochen zu werden.
Genau dort entsteht dein eigener Stil. Wenn du nicht mehr nur reproduzierst,
sondern spürst, was du wirklich zeigen willst.
Am Anfang ist man oft „all over the place“. Das gehört dazu.
Früher oder später findest du deinen Weg – wenn du aufhörst, es allen recht machen zu wollen.
Und das bringt mich zu einem wichtigen Punkt:
Irgendwem wird deine Arbeit immer nicht gefallen.
Nimm Kritik an, aber versteh: Diese Person teilt nicht deine Vision.
Und das ist okay. Deine Bilder sind nicht für alle gemacht. Sie sind für Deinesgleichen.
Wie beeinflusst das Licht deine Stimmung beim Fotografieren?
Licht ist essenziell – es heißt nicht umsonst Malen mit Licht.
Gut gesetztes Licht kann aus einem starken Bild ein Gemälde machen.
Schlecht gesetztes Licht hingegen lässt selbst ein wunderschönes Model unvorteilhaft wirken.
Don’t get me wrong – es kann immer mal ein Bild daneben gehen.
Aber es sollte nicht das Studio verlassen.
Oder wenn doch, dann nur als stiller Reminder: Niemand ist perfekt.
Licht muss bewusst eingesetzt werden – ob du es nun so nimmst, wie es kommt,
oder es im Studio nach deinem eigenen Willen formst.
In beiden Fällen lenkt es nicht nur den Blick – es bestimmt die Wirkung.
Technik oder Intuition: Was hat bei dir den Vorrang – und warum?
Eine gute Mischung.
Warum? Weil du beides brauchst, um das zu erreichen, was du wirklich zeigen willst.
Nicht im kommerziellen Sinn – sondern im künstlerischen.
Wir reden hier über ein Kunsthandwerk. Und da steckt wahnsinnig viel Intuition drin:
Gefühl für den Moment, für das Model, für die Vision hinter dem Bild.
Ob du etwas neu interpretierst, das du schon einmal gesehen hast,
oder etwas schaffst, das nur aus deiner Vorstellung stammt –
du brauchst den inneren Kompass, nicht nur den Belichtungsmesser.
Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich der Intuition einen leichten Vorrang geben.
Denn manchmal löst ein technisch unperfektes Bild mehr aus
als eines, das direkt aus dem Lehrbuch stammen könnte.
Schlussgedanke
Vielleicht war dieses Gespräch mit mir selbst – aber genau darin liegt die Tiefe. Manchmal muss man sich selbst zuhören, um zu erkennen, warum man tut, was man tut. Tiefenschärfe beginnt im Kopf – und findet ihren Weg durch die Linse aufs Papier.